Die sommerliche Hochzeit der Künste aller Art sorgt nicht nur für Applaus. Soll sie auch nicht. Es wäre zu wenig, wollte Kunst nur gefallen. Ihre Aufgabe ist (vor allem) eine andere, als bloß für zufriedene Erbauung und Wohlgefallen zu sorgen. Bedient sie nur das Bedürfnis nach Behübschung für Aug und Ohr, ist sie nicht weit von Kitsch entfernt. Soweit meine persönliche Haltung, es gibt aber doch ein großes Aber: zwei Fotoausstellungen im Linzer Kunstmuseum Lentos lassen mich stocken. Beeindruckende Bilder von Nilbar Güres und Katharina Gruzei zweifellos, aber sind sie es Wert, gleich im Museum zu landen? Was ist, ein wenig spitzbübisch gefragt, mit meinen Schnappschüssen vom sonntäglichen Stammtisch oder vom Besuch meiner Enkel, von denen einige Fotos ebenfalls gut gelungen sind und zu fast jedem einzelnen ein durchaus philosophischer Anhang gesetzt werden könnte, wenn man wollte oder müsste?
Was ist Kunst überhaupt und wer definiert das? Erlauben Sie einen Blick in meinen privaten Wohnraum: Warum ist von 2 gerahmten Gemälden das Eine, mit Signatur versehene Bild Kunst, das andere, mit dem das Bild verpackt war und an dem der Künstler nur die Pinsel abgewischt hatte und ich es später spaßhalber rahmen ließ, keine Kunst? Meiner Familie und mir gefällt das nur zum Spaß gerahmte Verpackungsbild genauso wie das eigentliche Kunstwerk, der befreundete Maler selbst möchte es uns aber am allerliebsten wegnehmen.
Darf und kann nur der Künstler selbst bestimmen, welches seiner Werke als Kunst zu gelten haben oder haben wir Betrachter doch auch ein Wörtchen mitzureden?
Kunst komme von Können, meinte ich lange Zeit, diese Definition scheint aber zu kurz gegriffen. Auch das banale Argument für den Ankauf des einen oder anderen Gemäldes, es würde mir gefallen oder in die Wohnung passen, wage ich nicht mehr laut zu sagen. Aber: ist etwa gar nur das Kunst, was mir ausdrücklich nicht gefällt? Ist Gefallen überhaupt eine Kategorie?
Im bereits erwähnten Kunstmuseum Lentos stießen wir auf einen großen Haufen von Edelschrott mitten in einem Ausstellungsraum. „Bitte nicht berühren“, mahnte der strenge Aufseher und erklärte das „Werk“ damit umso mehr zur heiligen Kunst. Oder gleich im Raum daneben: die ziemlich unfertig wirkende Installation, die uns an eine Baustelle erinnerte: DAS soll also Kunst sein? Dafür wird so viel öffentliches Geld ausgegeben? Wer trifft die Entscheidung, was in diesem Sinn förderungs- und ausstellungswürdig ist und was nicht?
Zugegeben, aus einer Mischung von Wut und Spaß habe ich noch am Abend desselben Tages die Bilder einer Seite unseres Wohnzimmers umgedreht und dies zur Kunst erklärt. Es würde mir nicht allzu schwer fallen, diese Rückseiten mit durchaus intelligent klingendem Geschwafel zu beschreiben, Marke: ein Künstler lädt sie ein, seine Hintergründe zu bedenken. Augen weg von gleißendem Gold oder blutigem Rot, Augen hin auf die banale, unromantische Welt des dahinter Liegenden, undsoweiter. Künstler aller Art brauchen Freiheit zur Interpretation ihrer Welt, ob das Ergebnis gefällt oder nicht, ganz klar. Für manches sind die Rezipienten wahrscheinlich noch nicht reif genug. Aber nochmals: wer entscheidet, ob dies oder jenes nun Kitsch, Mist oder Kunst ist?